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„Ich schmeiß den Mist weg“ oder Wie mich ein Hobby meine Nerven kostet

Kein Elternblog scheint 2018 ganz ohne das Thema DIY oder Nähen auszukommen. Auch gerne in Kombination mit Dekoration und leichten handwerklichen Arbeiten, ist es unter den Eltern unserer Gesellschaft en vogue, den Nachwuchs in selbstgenähte Fummel zu kleiden. Ganz individuell, mit ganz viel Liebe gezaubert und in der Passform völlig auf die kindlichen Bedürfnisse zugeschnitten.

Auch ich bilde da keine Ausnahme. Ich meine, so ein wenig Stoff durch die Nähmaschine jagen und nach irgendwelchen vorgefertigten Mustern was zusammenzimmern, wie schwer kann das schon sein?
Schokominza hat zu dem Thema schon einiges, und vieles begeisterter als ich, geschrieben – siehe bspw. hier Möchtet ihr in meinem Nähtagebuch blättern? – , obwohl auch bei mir eine Nähmaschine und eine Overlock wohnen. Auch ich habe ein Sammelsurium an Knöpfen, einen halben Schrank voller Stoffe und den Kopf voller großartiger Nähideen. Nicht zuletzt gespeist durch die sozialen Medien, Pinterest und den Wunsch, auch meinen Schneeflöckchen mit ganz vielen Herzchen tolle selbstgemachte Geschenke zu präsentieren.

Aber wo wunderschöne Nähstücke anderer Mütter, Väter, Onkels, Omas, Geschwister und Cousinen dritten Grades (Aufzählung nicht vollständig) dem Kind schon beim Anziehen ein wohliges Gefühl von „Jemand denkt an mich und mag mich“ geben, dürften meine Stücke vor dem ganzen Zorn und Frust jucken, den ich bei der Herstellung mit einarbeite. Meine Kinder werden weniger die (semi-)tollen Kleider im Gedächtnis haben, sondern vielmehr die keifende Mutter, die man vor diesen Teufelsdingen besser nicht anspricht.
Meine Nähmaschine hat mich mehrfach mit Nadeln beschossen. Ich habe mir in den Finger genäht. Ich habe unzählige Nadeln abgebrochen. Ich habe Stoffverschnitt in unvorstellbaren Ausmaßen.Eigentlich sollte ich nicht nähen und es ist purer Trotz, dass ich nicht aufgebe.

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Das ganze Dilemma möchte ich euch gerne an meinen letzten Beispielen zeigen: 3 T-Shirts. Sieht erstmal nett aus. So ein cooler Schlauchkragen hat doch was und dann die Applikation. Der Stehkragen ist auch nicht schlecht und wie sich die Ärmel so kräuseln, ein nettes Detail.
Gut, schauen wir genauer hin. (Die Nähprofis unter euch werden das nicht müssen, die sehen es auf den ersten Blick):

 

Genau. Der Schlauchkragen ist daraus entstanden, dass ich bei einem Schnittmuster, das am Hals ein Bündchen vorgesehen hatte (diese hier, wenn jemand fragt: Minitoppi T-Shirt ), das einfach weglassen wollte. Dooferweise war der Ausschnitt dann viel zu weit, also schnell einen Schlauch hingestümpert. Gestümpert auch wegen der miesen Naht, die das innere außen zeigt. Übrigens miese Nähte: Der Geradstich wird unter meinen liebevollen Händen zum Kurven- und Zackenexemplar. Und der Stich an der Applikation hat seinen Namen nicht verdient. Meine Nähmaschine weint darüber, was ich aus ihren Fähigkeiten gemacht habe.

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Nein, das sind keine Erstlingswerke. Nein, ich arbeite mit wirklich guten Maschinen, mit gutem Stoff, mit gutem Garn. Diese Ausreden zählen also alle nicht.

 

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Weiter zum Stehkragen oder ehrlicher: Was passiert, wenn man beim Ausmessen und Zuschneiden des Bündchens den Faktor zur Berechnung vergisst. Da ist das völlig unpassend weiße Overlockgarn schnell vergessen, wenn diese „Wird schon passen“-Mentalität um sich greift.

 

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Dann das blaue Shirt:  Die Applikation war eigentlich zum Aufbügeln. Dabei hab ich mich so doof angestellt (und fast einen Waschlappen abgebrannt), dass ich es doch ohne Fixierung nähen musste. Wie es kommen musste:  nur echt mit eingenähtem Faltenwurf.
Die lustigen Kräuselärmel sind dem Versuch geschuldet, mal einen neuen Saum zu versuchen, nicht immer nur das schnöde Umnähen. Nunja, bestenfalls experimentell. Nichtmal das sind meine Fadenhaufen (Stoff bleibt in der Nähmaschine hängen) und meine nicht umgebügelten Säume mit Rollfaktor.

 

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Und achja, was meint ihr eigentlich zu meinem „Auge des Horus“, aka „Ich hab schon wieder vergessen, wie zur Hölle man diese Knopflöcher näht.“20180311_211650

Meine Nähkünste fußen auf völlig ungeeigneten Kompetenzen beziehungsweise dem Fehlen solcher: Ich bin ungeduldig, möchte schnell arbeiten, hasse kleinteilige Arbeiten und habe eine niedrige Frustrationstoleranz. Außerdem neige ich bei schlechter Stimmung zur Selbstkasteiung und zum Ausschlagen in alle mich nervenden Richtungen.

Warum also mache ich das? Weil es mir, trotz allem, rasche Erfolgserlebnisse bringt. Das da oben sieht zumindest aus wie Kleidung und ist auch als solche zu nutzen. Ich habe Stoffe vernäht, die ich wirklich schön finde, habe über die Arbeit mit meinen Kindern kommuniziert und Zeit „sinnvoll“ verbracht. Rückblickend sollte ich häufiger mit den Kindern spielen oder für meine Dissertation arbeiten, als mich diesem Frust an der Nähmaschine auszusetzen.

Trotzdem werde ich es wieder tun. Und ich werde wieder nicht bügeln, unsauber zuschneiden und keine gerade Linie hinbekommen. Aber am Ende wird etwas greifbares dort liegen, das ich gemacht habe. Es wird etwas sein, was sich mein Sohn so gewünscht hat – sofern er es sich nicht anders überlegt, sobald das Stück Realität ist. Und das wird sich dann auch irgendwie gut anfühlen.

(Bis ich mein hinterlassenes Chaos aufräumen muss….)

2 Kommentare zu „„Ich schmeiß den Mist weg“ oder Wie mich ein Hobby meine Nerven kostet

  1. Ich finde mich an so vielen Stellen wieder 😀 Zwar liebe ich es trotzdem, aber ich mache auch tausende Fehler und muss jedes Mal den Halsausschnitt auftrennen, weil der Kopf nicht durchpasst ^^

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  2. Na, wenigstens ziehen deine Kinder es an 😂 meine findet den Stoff gaaaaaaanz toll! Meine findet das neue Kleidchen „Chöööön!“. Meine kriegt einen Heulkrampf, wenn sie es anziehen soll 😑

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