In meiner Rolle als Frau anzukommen, hat für mich gefühlt mein ganzes Leben gedauert. Für mich zu definieren, was diese Rolle eigentlich beinhaltet – über meinen eigenen Horizont hinaus auch unter gesellschaftlicher Perspektive – dauert weiter an und wird wohl nie abgeschlossen sein.
Ich nehme Wandel wahr, an mir, aber auch in meinem Umfeld. Die Abkehr von normativen Denkprozessen, die gleichzeitig befreiend, anstrengend und schmerzhaft ist. Wenn ich die Kategorien verlasse, nach denen eine Frau eine gute Frau ist, dann bin ich zunächst haltlos.
Ich gehöre einem bestimmtem Körperschema an – gute Frau. Ich bin heterosexuell und habe Freude an Sex – gute Frau. Ich koche und nähe gerne – gute Frau. Ich helfe anderen Leuten – gute Frau. Darüber kann ich mich definieren, darüber ist es leicht, Bestätigung zu bekommen.
Aber wenn ich wählen müsste: Ich wäre lieber Vollzeit berufstätig, als zu Hause bei den Kindern. Ich bin rechthaberisch, stur und besserwisserisch. Ich debattiere gerne und falle Menschen ins Wort. Ich trage kurze Haare. Ich hasse es, zu putzen. Ich spiele leidenschaftlich gerne am Computer und liebe mein digitales Umfeld. Ich arbeite in der Forschung und stelle Statistiken über Emotionen. Ich bin cholerisch.
Nach Haltlosigkeit kommt Trotz. Denn ich bin nicht TROTZDEM eine Frau, sondern gerade deshalb! Weil Frau zu sein nichts damit zu tun hat, bestimmte gesellschaftliche Erwartungen zu erfüllen, sich an bestimmte Vorstellungen anzupassen oder bestimmte Vorgaben zu erfüllen.
„Frau sein“ ist ein Gefühl. Noch dazu ein sehr privates, denn niemand anderes darf darüber bestimmen, wie es sich für mich anfühlt, was es für mich beinhaltet oder wie ich damit lebe. Niemand darf für andere darüber bestimmen, wie sie sich zu fühlen, zu kleiden oder zu verhalten haben, wenn sie sagen, dass sie Frauen sind.
Ich bin gerne eine Frau, es gehört zu meiner Identität. Aber trotzdem kämpfe ich immer wieder darum, selbst zu entscheiden, wie ich als Frau sein will. Was ich für mich übernehme, was ich ablehne. Jeder Artikel, jeder Kommentar, der sagt, eine Frau müsse bestimmte Eigenschaften erfüllen, um eine „echte“ Frau zu sein, bringt mich wieder ins Straucheln.
Früher, als ich meine Rolle noch gesucht habe, habe ich mich an diesen Erwartungen orientiert. Auf dem Weg, eine Frau zu werden, habe ich versucht, ihnen so gut es geht zu entsprechen. Dabei war es nicht nur das Internet, der Druck kam aus der Schule, von meiner Familie, von Freunden. Aus mir selbst und meiner Sozialisation heraus.
Aber ich bin nicht die Summe all dieser Erwartungen. Ich bin ein Mensch, der sich wie eine Frau fühlt und zufälligerweise auch eine Vagina und Brüste besitzt. Ich habe Stärken und ich habe Schwächen und manche passen in das Raster, das Menschen anlegen, um mich zu bewerten und manche nicht.
Als ich 23 war, sah ich aus wie eine Frau. Und ich hatte damit zu kämpfen, eine zu sein. Nicht, weil ich gerne einen Penis gehabt hätte. Der Druck, der auf mir lag, weil ich versuchte, eine „richtige“ Frau zu werden, hat mich erschöpft.
Deshalb: Wenn ihr mich bewerten wollt, bewertet mich als Mensch, nicht nach meinem Geschlecht. Ob ich eine Frau bin, ist meine Entscheidung.
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(Dieser Beitrag zum Weltfrauentag erschien zuerst auf meiner privaten Facebookseite. Wem das also bekannt vorkommt: Gut möglich)