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Leseecke: Mut zur Lücke, liebe Eltern!

Mut zur Lücke, liebe Eltern! Glück geht auch ohne Bio, PEKiP und Häuschen mit Garten… Das behauptet zumindest die Autorin Silia Wiebe. Sie beschreibt in Ihrem Elternratgeber, wie man ohne Nervenzusammenbruch das Elternsein überstehen kann.

Mit gerade einmal 142 Seiten eignet sich das Büchlein als schnelle Lektüre am Abend. Es führt durch 18 Kapitel, die alle „Mut zur Lücke im Haushalt“ oder „Mut zur Lücke beim Kindergeburtstag“ heißen und eine klare Struktur haben: Entweder gibt Wiebe eine Eltern-Anekdote zum besten oder befragt Fachleute in einem direkten Interview. Dann folgen „drei Sätze für die Tonne“, bei denen man amüsiert nickt („Jedes Kind kann schlafen lernen“), und zum Schluss gibts konkrete Tipps unter der Headline „make it easy“.

Mir sagt ausgenommen des Covers (zu altmodisch) die Gestaltung des Büchleins sehr zu – Mit 1,5fachem Zeilenabstand füllt die Schrift ihre Seiten großzügig aus und Zeichnungen im Comic-Stil sorgen für Leichtigkeit und Witz. Für die Überschriften und einige Auszeichnungen wurde eine angenehme Handschrift ausgewählt, die dem Text eine persönliche Note verleiht.

Was mir nicht zusagt…

Ich gebe zu, dass ich an das Büchlein mit viel Skepsis und ohne Erwartungen heranging. Es fand seinen Weg als Preis bei einem Gewinnspiel zu mir nach Hause, gekauft hätte ich es mir nicht, obwohl der Titel mit meiner Lebenseinstellung übereinstimmt. Mut zur Lücke. So ist es! Aber nur um meine eigene Meinung zu lesen, brauche ich keinen Ratgeber, oder?

So kommt es, dass ich hinter viele Ratschläge erst einmal ein „Nö“ geschrieben habe. Z.B. „Wie wäre es, wenn Sie Ihre Kinder morgen nachmittag fünfzehn Minuten später aus der KiTa holen und sich dafür eine kleine Mittagspause gönnen?“ Nö. Natürlich wäre das toll, aber unsere KiTa betreut bis 14:30 Uhr und da kann ich nicht erst 15 Minuten später aufkreuzen.
Oder „Legen Sie doch mal Ihre Füße hoch! Ignorieren Sie die kleine vom Essen übrig gebliebene Erbse unter dem Esstisch und tun Sie einfach mal nichts. Absolut gar nichts.“ Nö. Gerne lade ich Frau Wiebe mal zu einem Mittagessen bei mir ein, denn da liegt nicht eine Erbse unter dem Stuhl, sondern eine ganze Ladung Spaghetti, Soße klebt an Tisch und Kind und in der Regel wird auch die Tasse umgestoßen. Ich bin kein Ordnungsfanatiker, aber Nicht-Wegräumen bedeutet neben dem Spruch „Aufgeschoben ist nicht aufgehoben“ einfach noch mehr Stress: Die dreckigen Kinder schmieren alles voll, sie treten in die Nudeln und verteilen sie in der Wohnung und die Soße frisst rote Flecken in die Tischdecke. Außerdem finde ich das eklig und kann so nicht entspannen…

An vielen Stellen habe ich das Gefühl, dass mit dem Buch keine Normalo-Mütter angesprochen werden, da viele Probleme mit Geld gelöst werden sollen. Putzhilfe, Babysitter, Haushaltshilfe… Man kann so seine Zeitprobleme lösen, aber man braucht dafür die finanziellen Mittel und das fand ich irgendwie „weltfremd“. Ein Reisetipp ist der Allgäuer Berghof, wo man mit seinen Kindern entspannen kann: Für 150€/Tag für einen Erwachsenen.

Wiebe bemüht sich einerseits, alle Eltern anzusprechen, doch es gelingt ihr oft nicht. Dann sieht sie doch wieder nur Mütter, die zurückstecken und Väter, die arbeiten.

Sie verliert den Faden

Letztendlich kann Wiebe ihrem Motto über die 142 Seiten nicht immer treu bleiben. Manche Tipps wirken schwammig: „Und dann fehlt es oft an Zeit und Nerven, für einen Bioladen einmal quer durch die Stadt zu gurken.“ Empfohlen wird stattdessen der „Wochenmarkt“… Da sehe ich allerdings keinen Unterschied, was das „gurken“ angeht. Für mich ist der Bioladen sogar wesentlich einfacher zu erreichen.

Fast schon absurd kommt mir ihr Vorschlag für einen Snack vor, den sie „Getreidemix“ nennt. Zuerst muss man dafür in einen Drogeriemarkt fahren. Da kauft man frisches Vollkorngetreide und lässt es sich vor Ort schroten. Am Abend muss man das Ganze in Wasser einweichen lassen. Morgens püriert man Äpfel und rührt sie hinein. Plus Sahne. In meinen Ohren klingt das ziemlich umständlich für einen Snack, ehrlich gesagt. Von einem Mut-zu-Lück-Ratgeber hätte ich an der Stelle eher erwartet: „Kaufen Sie sich im Supermarkt einfach einen fertigen Getreidejoghurt, der kann genauso viel wie ein Getreidemix, den sie aufwändig zusammenstellen müssten und der noch zusätzlich Abwasch verursacht.“
Was man mitnimmt…

Interessant an dem Buch sind die Tipps, mit denen ich mich auch näher beschäftigt habe. Bei einigen war ich zwar nachher enttäuscht wie bei dem eben genannten „Allgäuer Berghof“, weil es sich als so teuer herausstellte, oder wie bei den T-Shirts für Mama und Kind als Partnerlook, da es sich letztlich nur als ein schwarzer Apfel auf grauem T-Shirt herausstellte. Aber interessant war beispielsweise der Hinweis, dass es „Notfall-Mamas“ gibt, also geschultes Pflegepersonal, das im Krankheitsfall das Kind zu Hause betreuen kann. Allerdings auch hier: Mit 33€/Stunde ist dies kein Tipp für Normalo-Eltern. Schade.

Desweiteren liefert Wiebe interessante schnell&easy-Rezepte für jeden Wochentag zum Nachkochen, Empfehlungen für Kinderfilme und Kinderbücher und stellt einen Linktipp vor, wo man zusammengestellte Mottoboxen für einen erschwinglichen Preis kaufen kann, um den Kindergeburtstag schnell&easy mit Tellern und Ballons auszustatten. Notiert ist das Buch „Hütten von Kindern selbst gebaut“ für 13 €, in dem der Autor Louis Espanassous zwanzig Hüttenkreationen aus Zweigen, Schnee und Brettern vorstellt. So führt ein Ratgeber zum nächsten.

Alles in allem

Wer sich an einem Abend die Zeit kurzweilig vertreiben will, ist mit diesem Buch gut beraten. Es eignet sich auch zum Verschenken, da es optisch was hermacht und man „Mut zur Lücke“! jedem mit auf dem Weg geben kann. Als Geschenk zur Geburt eines Kindes oder Lektüre während der Schwangerschaft kann ich mir die Texte gut vorstellen – Mich als Zweifachmami haben sie nicht umgehauen, da Wiebe nur an der Oberfläche kratzt. Es bleibt mehr Unterhaltung als wirklich Ratgeber.

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